Pressemitteilungen
Potsdam, 03.03.2004
SPD-Landtagsfraktion Brandenburg Uta Müller, hochschulpolitische Sprecherin Rede zur Aktuellen Stunde der 91.
Sitzung des Landtages Brandenburg: "Hochschulen auf Innovationskurs. Wo stehen brandenburgische Hochschulen im nationalen wie internationalen Wettbewerb?"
- es gilt das gesprochene Wort –
Herr Präsident, meine Damen und Herren.
Ich war doch etwas erstaunt, als ich das
von der CDU-Fraktion vorgeschlagene Thema für die Aktuelle Stunde auf der
Tagesordnung fand. Erstaunt deshalb, weil ich bisher davon ausging, dass es
bereits ein tagespolitisches Dauerthema für uns ist und keine Vorlage für
Sonntagsreden sein darf. Nicht umsonst haben wir uns im Ausschuss für
Wissenschaft, Forschung und Kultur auf Antrag der SPD-Mitglieder darauf verständigt,
uns regelmäßig mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu beraten. Dessen
ungeachtet ist es nützlich immer wieder unser ehrgeiziges Ziel öffentlich zu
thematisieren: Hochschulen auf Innovationskurs. Schließlich geht es ja nicht um
die bloße Wiederholung von Worthülsen, sondern wie im zweiten Satz ausgewiesen
um die Frage: Wo stehen wir und wie erreichen wir das hochgesteckte Ziel? Diese
Frage haben alle meine Vorredner aufgeworfen. Das ist wirklich eine Kernfrage,
der wir uns zu stellen haben.
Die Position der CDU-Fraktion,
vorgetragen von Herrn Niekisch, habe ich vernommen. Sie ist ja sehr deutlich
geworden. Er ist des Lobes voll für das Erreichte in unserem Land. Man kann
auch stolz auf das Erreichte sein, trotz der schwierigen Situation. Im Übrigen
ist für alles Unzulängliche die Bundesregierung verantwortlich. Der Wahlkampf
lässt grüßen, das muss man sagen. Ansonsten danke ich Herrn Niekisch sehr für
die vielen erbaulichen Zitate, die er in seine Rede eingestreut hat.
Die Position der PDS-Fraktion,
vorgetragen von Herrn Trunschke, und auch die Vorschläge, die er unterbreitet
hat, wollen wir uns dann vornehmen, wenn die Wahlen im Herbst vorüber sind, und
dann wollen wir sie auf ihre Umsetzbarkeit überprüfen.
Zurück zu der Frage: Wo stehen wir? Es
gibt eine ganz aktuelle Liste der weltweit 500 besten Universitäten,
veröffentlicht von der renommierten Shanghai Jiao Tong University. Die auf zwei
Jahre angelegte Studie berücksichtigte die Anzahl der Nobelpreisträger und
berühmten Forscher, die Zahl der veröffentlichten Artikel in internationalen
Fachzeitschriften sowie die wissenschaftliche Leistung dieser
Bildungseinrichtungen. Alle genannten Kriterien wurden gleich gewichtet. Jetzt
dürfen sie raten, ob sich eine brandenburgische Hochschule unter den
Weltrekordlern befindet. Leider nicht! Dann hat dieselbe Universität nach den
gleiche Kriterien ausschließlich europäische Hochschulen untersucht und eine
Rangfolge von 1 – 100 aufgestellt. Wieder Fehlanzeige.
Das ist bedauerlich, denn ich kann ihnen versichern, dass Wissenschaftler aber auch Studenten und potenzielle
Studenten das Ranking der Shanghai Universität aufmerksam analysieren und ihre
künftigen Tätigkeitsstätten danach auswählen. Und das ist umso bedauerlicher,
weil gerade der asiatische und speziell der chinesische Wirtschaftsraum seit
Jahren das größte Wachstum verzeichnet und bereits mittelfristig in seiner
Bedeutung für die deutsche Wirtschaft der amerikanischen den Rang abgelaufen
haben wird. Aber dürfen wir das etwa den Hochschulen anlasten? Ich denke nein!
Ein weiteres Hochschul-Ranking das das bertelsmannnahe Centrum für Hochschulentwicklung
(CHE) zusammen mit der Wochenzeitschrift STERN im vergangenen Jahr erstellt
hat, kommt zu folgenden Ergebnissen: Die wissenschaftliche Reputation der
Brandenburger Hochschulen ist in den letzten Jahren gestiegen und auch im
Urteil der Studierenden werden unsere Hochschulen überwiegend positiv bewertet.
Dennoch steht unmissverständlich als klare Aussage, dass sich die Ostdeutschen
Hochschulen vor allem bei der Studentenbetreuung auf das katastrophale
Westniveau hinbewegen. Wörtlich heißt es in der CHE-Studie zum Ländervergleich:
"Zusammenfassend kann man feststellen, dass sich die Studiensituation in den neuen Ländern an
die der alten Länder anpasst - die Studienzeiten verlängern sich und die
Studierendenurteile verschlechtern sich."
Das hat natürlich etwas mit der Hochschulfinanzierung zu tun, denn mehr Professoren
kosten eben auch mehr Geld. Eine gute materielle Ausstattung der Hochschulen mit
neuer Informationstechnologie und modernen Laboren führt nicht automatisch zum
guten und schnellen Studienerfolg. Kleine Seminargruppen und der intensive
persönliche Kontakt zwischen Hochschullehrern und den Studierenden scheint mir
der Schlüssel zum Erfolg zu sein.
Auch nicht zufrieden sein können wir mit
dem Grad der Internationalisierung unserer Hochschulen. Ausnahmen bilden die
Viadrina mit den vielen polnischen Studierenden und die BTU Cottbus, an der
erfreulich viele ausländische Studierende eingeschrieben sind. An manchen
Fachhochschulen jedoch, sinkt der Anteil der ausländischen Studierenden auf weniger
als 2 %. Vielfach reduzieren sich die Auslandskontakte auf gelegentliche
Symposien oder Studienfahrten und leider finde ich auch in keiner brandenburgischen
Studienordnung das obligatorische Auslandsemester geregelt. Eine Voraussetzung
dafür sind Seminare und Vorlesungen in anderen Sprachen oder internationale
Studiengänge, hier haben wir noch erheblichen Nachholbedarf. Zwar lassen sich Fremdsprachen
und interkulturelle Kompetenz auf vielfältige Weise vermitteln, wirklich
gefestigt werden diese Fähigkeiten jedoch nur durch Auslandsaufenthalte, bei
denen die Studierenden in den Hochschulbetrieb des entsprechenden Landes integriert
werden. Dies bietet eine sichere Grundlage für künftige wirtschaftliche und
kulturelle Beziehungen.
Aus den bisher aufgelisteten Mängeln
müssen wir politische Konsequenzen ziehen und unsere Hochschulen auf dem Weg
zur weiteren Internationalisierung zielgenau unterstützen.
Das deutsche Hochschul-Diplom ist ein
alter Zopf, der international längst abgeschnitten wurde. Und nebenbei bemerkt:
In Italien hat jeder Friseur ein Diplom. Es besteht somit für uns die zwingende
Notwendigkeit endlich die konsequente Modularisierung der Studienfächer umzusetzen
und die neuen Bachelor- und Masterabschlüsse, wie sie der Bologna-Prozess
vorsieht, endlich für alle Studiengänge einzuführen.
Wie schwer sich manche Fachbereiche mit
der Modernisierung ihrer Studienordnung tun, zeigt die Reform der
Lehrerbildung, die wir in einem späteren Tagesordnungspunkt noch behandeln
werden. Obwohl das Hochschulrahmengesetz die Bachelor- und Masterstudiengänge
bereits als Regelangebot vorsieht, bedarf es in Brandenburg im Gegensatz zu
Berlin wieder einer Erprobungsklausel, um bei der Lehrerbildung diese
Abschlüsse einzuführen.
Ich denke – und dieser Hinweis muss erlaubt
sein - das MWFK hätte in den vergangenen Jahren noch viel nachdrücklicher
unsere Hochschulen beraten und verpflichten müssen, ihre Studiengänge im Sinne
von Bologna zu reformieren. Schließlich haben sich die Kultusminister verpflichtet,
bis 2010 vergleichbare Studienabschlüsse innerhalb Europas zu schaffen, wobei der
problemlose Studienortwechsel nicht nur möglich sondern erwünscht ist. Wir erwarten
vom Wissenschaftsministerium einen Bericht zum Stand der Umsetzung des
Bologna-Prozesses an Brandenburger Hochschulen und einen Maßnahmenkatalog für
den weiteren Reformprozess. Dabei gehen wir davon aus, dass die konkreten Festlegungen, der europäischen Bildungsminister vom
September 2003 mit einfließen. Einen entsprechenden Antrag werden wir im
Wissenschaftsausschuss einbringen. Denn bereits 2005 werden von den nunmehr 40
Mitgliedsstaaten detaillierte Berichte erwartet.
Um im internationalen Maßstab Schritt zu halten, muss man an den
Stellschrauben der leistungsorientierten Mittelvergabe und Zielvereinbarungen tatkräftig
nachjustieren, dies darf kein Lippenbekenntnis bleiben, sondern muss sich auch
im Haushalt widerspiegeln. Ich bin sicher, unsere Hochschulen werden schon aus gesundem
Eigeninteresse mitziehen und sich dem europäischen Wettbewerb stellen. Ich bin
da ganz zuversichtlich und möchte an dieser Stelle die großen Anstrengungen
unserer Fachhochschulen und Universitäten hervorheben, denn sie haben bisher
mit knappen Mitteln viel erreicht. Dies zeigt, dass sie sich ihrer großen
Verantwortung bewusst sind.
Einige Anmerkungen noch zur Feststellung „Hochschulen auf
Innovationskurs.“ Ich freue mich, dass
auch unser Koalitionspartner das Thema Innovation entdeckt hat – zwar noch in
etwas allgemeiner Form, aber immerhin. Was Innovation heißt u.a. Erneuerung,
Verwirklichung neuer Gedanken in Form von neuen Verfahrenstechniken, von neuen
Maschinen, neuern Produkten oder Organisationsformen. Innovation erfordert
deshalb eine komplexe Betrachtung der Prozessabläufe, beginnend mit der
Grundlagenforschung über die angewandte Forschung, die Industrieforschung bis
hin zur Umsetzung in die Praxis und Erschließung neuer Märkte. Man darf daher
Brandenburger Hochschulen nicht isoliert betrachten, sondern muss das
Zusammenwirken von Wissenschaft und Wirtschaft analysieren. Wir müssen uns die
Frage stellen, welchen Beitrag unsere Hochschulen leisten können, um mitzuhelfen,
der ausgewiesenen Innovationsschwäche der Brandenburger Wirtschaft entgegen zu
wirken.
In einer Studie der Bertelsmannstiftung, in der die Bundesländer im
Standortwettbewerb verglichen werden, wird festgestellt, dass Brandenburg zum
wachstumsschwächsten Bundesland im Zeitraum 1999 bis 2001 abgefallen ist. Auch
im Aktivitätsbereich belegt Brandenburg in dieser Periode nur den vorletzten
Platz. Ein wesentlicher Grund für diesen Wachstumseinbruch wird in der Innovationsschwäche
der Brandenburger Wirtschaft gesehen. Dieser Studie zu Folge hat Brandenburg
die niedrigsten Ausgaben für Forschung und Entwicklung pro Einwohner aller
Bundesländer, dies korrespondiert mit dem extrem niedrigen Punktwert bei
Patentanmeldungen. Auch bei den Hochschulausgaben belegt Brandenburg im
Ländervergleich den letzten Platz.
Trotz alledem liefern unsere Hochschulen zum Teil exzellente Ergebnisse, dies bezieht
sich auf die Einwerbung von Drittmitteln, auf die im Wettbewerb mit anderen
Hochschulen geförderten Sonderforschungsbereiche, die wissenschaftlichen Preise
von Hochschullehrern und Nachwuchswissenschaftlern, um nur einige Beispiele zu
nennen. Wir müssen jedoch fragen, wie diese Ergebnisse in unserer Wirtschaft
wirksam werden können. Mit dieser Frage hat sich auch der Landeshochschulrat
befasst. In einer Studie aus dem vergangenen Jahr hat er Empfehlungen
ausgesprochen, um die Leistungsfähigkeit unserer Hochschulen zu erhöhen und den
Wissens- und Technologietransfer in die Wirtschaft zu verbessern. Ich möchte
einige wenige herausgreifen.
Er empfiehlt zum Beispiel:
die Kooperation von Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Wirtschaft und Land im Rahmen
des Landesinnovationskonzeptes und verstärkte wechselseitige Abstimmung von
Wissenschafts- und Wirtschaftspolitik.
die Bildung von Clustern als Basis für eine Vernetzung vor allem mit KMU, in denen
die Hochschulen als Kompetenzzentren eine Schlüsselrolle übernehmen.
die Koordinierte Zusammenarbeit von Brandenburger und Berliner Hochschulen und Forschungseinrichtungen.
die Erhöhung der Finanzsumme im Modell der Mittelverteilung für Struktur- und Innovationsziele.
Seit Monaten beschäftigen wir uns im
Wissenschaftsausschuss mit dem Thema „Praxiswirksamkeit von Forschung“ und
laden zu jeder Sitzung Hochschulen und Forschungseinrichtungen ein. Wir
legen großen Wert darauf, dass sich das Wirtschaftsministerium in diesen Diskussionsprozess
mit einbringt. Zwar
finanziert das Wirtschaftsministerium die Technologietransferstellen an unseren
Hochschulen, doch ein weitergehendes Engagement beim Aufbau von Netzwerken
zwischen den Hochschulen und der Brandenburger Wirtschaft kann ich bisher nicht
erkennen. Welche Hochschulen hat unser Wirtschaftminister in den letzten Monaten
besucht und sich vor Ort über das Angebot an Forschungskapazitäten informiert?
Und wie ist es um die Zusammenarbeit von MWFK und Wirtschaftsministerium
bestellt? Diese Fragen muss man hier einmal so aufwerfen. Sie werden natürlich
auch in den verschiedenen Ausschüssen diskutiert und beraten.
Am 6.
Januar hat der SPD-Parteivorstand die Weimarer Leitlinien „Innovation“ als Teil
der Agenda 2010 beschlossen und damit den Mut zu weitreichenden Reformen
bewiesen. Unser Ministerpräsident hat längst die essentielle Bedeutung von
Bildung, Forschung und Innovation als Fundamente für die weitere Entwicklung
Brandenburgs erkannt. In seiner Regierungserklärung vom Dezember 2003 machte er
nochmals deutlich, worauf es ankommt:
"Bildung und Wissenschaft sind die
Voraussetzungen für nachhaltigen Erfolg im globalen Wettbewerb und damit die
Grundlage für Wohlstand und Beschäftigung einer Region."
Weiter sagte er:
"Innovationen entstehen
in einem arbeitsteiligen Prozess, an dem verschiedene Akteure beteiligt sind.
Wissenschaftler, Unternehmer, Finanziers und flankierend auch der Staat, der
die Rahmenbedingungen setzt."
Meine
Damen und Herren, diese Sätze kann man doppelt unterstreichen.
Zum Schluss möchte ich noch auf einen weiteren wichtigen Punkt im Innovationsprozess
hinweisen. Wir brauchen ein modernes Einwanderungsrecht,
das allen Hochqualifizierten gestattet, mitsamt ihren Familien ins Land zu
kommen und sich hier eine wissenschaftliche oder wirtschaftliche Existenz
aufzubauen. Bisher scheitert ein vernünftiges Einwanderungsrecht immer noch an
der verheerende Blockadepolitik der CDU. Wer wirklich Innovation will, der darf
keine Fremdenängste schüren, sondern muss auch in diesem Punkt Farbe bekennen.
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